Für dieses Buch habe ich direkt eine Nicht-Empfehlung: Lest es bloß nicht auf einer Kreuzfahrt, wirklich nicht. An allen anderen Orten gerne.
Darum geht’s
Erstmal war ich mir nicht so ganz sicher, ob es sich um einen ernstzunehmenden Krimi oder um eine eher humorvolle Geschichte handelt. Es geht damit los, dass eine Frau aufwacht und sich an nichts erinnern kann. Sie weiß nicht wer sie ist, nicht wo sie ist und auch nicht, was ihr passiert ist. Das Ganze wird recht unterhaltsam beschrieben, sie ist etwas derangiert, so als habe sie die ganze Nacht durchgefeiert und sei morgens mit einem dicken Kater aufgewacht. „Sie sah aus, wie Amy Winehouse an einem ihrer schlimmeren Tage“, heißt es. Erst langsam kommt sie dahinter, dass sie Stephanie Mayrhofer heißt und als Animateurin auf einem Kreuzfahrtschiff arbeitet. Abwechselnd zu den Kapiteln über Stephanie lesen wir etwas verworren von einem Mann, der in einer Art Käfig gefangen ist, Hunger und Durst leidet, Schmerzen hat und in dessen Nähe sich möglicherweise Kinder befinden, denen es ebenfalls nicht gut geht.
Alles anders als es scheint
Stephanie kämpft sich langsam in den Arbeitsalltag zurück, mit Unterstützung einer freundlichen Kollegin. Vieles kommt ihr komisch vor, nicht alle Menschen sind ihr geheuer. Sie braucht sehr lange bis nach und nach Erinnerungsfetzen zurückkommen. Dann wird ihr klar, dass sie keine Animateurin ist und auch nicht Stephanie Mayrhofer heißt, sondern Sarah Peters. Sie ist Polizistin und auf dem Schiff, um einer europaweiten Bande von skrupellosen Organhändlern das Handwerk zu legen. Ihr Kollege Michael, mit dem sie zur Tarnung auf dem Schiff angeheuert hat, ist verschwunden, auf hoher See ist sie völlig auf sich allein gestellt und weiß nicht, wem sie trauen kann. Wer gehört ebenfalls zur Polizei? Wer steckt mit der Bande unter einer Decke? Wo ist Michael und wo sind die Kinder, die sich angeblich als potentielle Organspender auf dem Schiff befinden sollen? Ihr seht, es gibt jede Menge Fragen, die die Ermittlerin in diesem Buch zu klären hat.
Meine Meinung
Wie oben schon beschrieben, ist der Einstieg in dieses Buch eher launig. Das ändert sich aber spätestens als Sarah Peters klar wird, dass sie eben nicht die Animateurin ist, die sich mit nervigen Gästen und blöden Chefs herumschlagen muss, sondern eine andere Aufgabe zu erledigen hat. Gerade das Verwirrspiel darum, wer gut und böse ist, hat mir in Kombination mit den fehlenden Erinnerungen, gut gefallen. An einigen Stellen ist es ganz schön harte Kost, denn die Organhändler schrecken eigentlich vor nichts zurück, Tote werden hingenommen, so lange der Profit stimmt. Am Ende des Buches bedankt sich die Autorin unter anderem bei ihrer Lektorin dafür, dass sie den Text von unnötigem Ballast befreit hat. Dem kann ich mich nur anschließen. Es ist eine sehr dichte Geschichte auf gerade einmal 300 Seiten, von der man sagen kann, dass nichts drin vorkommt, was man nicht braucht. Also keine unnötigen Handlungsstränge, kein ausschweifendes Erzählen. Dieses Gradlinige, auf den Punkt kommen, hat mir gut gefallen. Trotzdem habe ich eine emotionale Achterbahnfahrt durchlebt, da war von Wut, über Traurigkeit bis hin zu Entsetzen, aber auch guter Laune so ziemlich alles dabei. Das ist der erste Krimi, ja überhaupt das erste Buch von Christina Pertl, Band 2 ist schon in Arbeit und soll im kommenden Jahr erscheinen.
In Kürze
Titel: Kein Land in Sicht
Autorin: Christina Pertl
Verlag: Hoffmann und Campe
Erschienen: 2024
Preis: 18 Euro