Buchtipp: Bleib (Adeline Dieudonné)

Ein bisschen schräg ist dieser Roman auf jeden Fall, aber auch sehr emotional und zart.

Darum geht es

S. und M. sind seit acht Jahren ein heimliches Paar. M. ist verheiratet und lebt mit Frau und Sohn zusammen, S. ist Mutter einer inzwischen erwachsenen Tochter und wohnt allein. Wie schon häufiger verbringen beide ein Wochenende in einem Chalet in den französischen Alpen, das einem guten Freund gehört. M. geht wie immer in dem kleinen Bergsee vor der Tür schwimmen und stirbt. Ob es ein Herzinfarkt war oder ob er ertrunken ist, erfahren wir nicht. S. zieht ihn leblos aus dem Wasser und legt ihn ins gemeinsame Bett.

All das erschließt sich erst nach und nach. Wir steigen an der Stelle in den Roman ein, als S. beginnt, einen Brief an M.s Frau zu schreiben, um ihr zu erklären, was passiert ist. Dabei schweift sie immer wieder mit den Gedanken ab, verliert sich in Nebensächlichkeiten und erzählt so die Geschichte ihres Kennenlernens und Zusammenseins, auch ein ganzes Stück ihrer eigenen Lebensgeschichte und ihrer Männerbeziehungen. Soweit ist es mit gesundem Geist noch nachvollziehbar, dann beginnt das, was im Rückblick dem Schock über den plötzlichen Tod zuzuschreiben ist. S. verbringt viel Zeit mit dem toten Körper. Sie fährt mit ihm durch die Berge, an einen See, zu einer Wunderheilerin. Mehrere Tage lebt sie neben der Leiche, die immer weniger mit ihrem Geliebten zu tun hat. Ihre eigene Begründung dafür: Als Geliebte wird sie, sobald der Tod bekannt wird, kein Recht mehr haben, um M. zu trauern. Dann wird seine Familie ihn übernehmen und sie verliert ihn ganz. Dazu ist sie noch nicht bereit und so sucht sie nach einem Platz, an dem sie ihn beerdigen kann. Auf acht Jahre liebe folgen also sechs Tage Wahnsinn.

Meine Meinung

Klingt verrückt, ist es sicherlich auch zu einem gewissen Grad, aber die Autorin erzählt das sehr nachvollziehbar. Ja, eine Leiche wird immer unappetitlicher, auch das erfahren wir, aber es wird nie eklig. Verfärbungen, Körpersäfte, Käfer werden beschrieben, aber so, dass man sie als gegeben hinnimmt und sich keine Horrorvorstellungen davon macht.

S. ist sich immer darüber im Klaren, dass es nicht richtig ist, was sie tut, kann aber nicht über ihren Schatten springen, weil sie noch nicht bereit ist, sich endgültig zu verabschieden.

Es ist eine sehr warmherzige Geschichte voller Liebe und Zuneigung. Dennoch gibt es zahlreiche Stellen, an denen ich dachte „das macht sie doch jetzt nicht wirklich…“. Sie stellt zum Beispiel ihr Auto mit dem zugedeckten M., auf einem belebten Parkplatz ab. Dort kommt sie mit einigen Männern ins Gespräch, spielt mit ihnen Volleyball, trinkt und kifft. Als sie nach Stunden zurückkommt, ist das Auto weg, abgeschleppt. Aber niemand hat die Leiche darin bemerkt.

Kleiner Tipp: Schlagt dieses Buch am besten zuerst hinten auf. Die Autorin hat ihre Playlist, die sie beim Schreiben gehört hat, aufgeschrieben. Dort sind sehr schöne, atmosphärische Songs dabei, die Eurer Leseerlebnis bereichern können.

In Kürze

Titel: Bleib

Autorin: Adelene Dieudonné

Verlag: dtv

Erschienen: 2025

Preis: 24Euro

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