Doris Knecht: Die Nachricht

Natürlich sagte mir der Name Doris Knecht etwas. Ihre Bücher wurden in den vergangenen Jahren viel gelobt, verfilmt und ausgezeichnet. Trotzdem habe ich erst jetzt etwas von ihr gelesen.

Ruth

Ruth ist die Hauptperson dieses Romans. Früher hätte man sie „eine Frau in den besten Jahren“ genannt. Ihr Mann ist vor drei Jahren bei einem Unfall ums Leben gekommen. Jetzt lebt sie mit ihrem Sohn, der kurz vor dem Schulabschluss steht und ihrer schwangeren Stieftochter im Haus der Familie auf dem Land. Ruth hat früher mal im Fernsehen moderiert, schreibt jetzt Drehbücher und hält sich regelmäßig in Wien auf, wo sie noch eine Wohnung hat.

Simon

Simon ist der erste Mann für den sich Ruth nach dem Tod ihres Mannes interessiert. Er war für kurze Zeit der Therapeut ihres Sohnes. Beide kommen sich näher, Ruth fühlt sich wohl in Simons Nähe und genießt es, bei Einladungen und Veranstaltungen wieder Teil eines Paares zu sein.

Aber Simon ist kein großer Freund von anhaltender Zweisamkeit. Immer wieder taucht er für längere Zeit ab und meldet sich nicht, trifft sich mit anderen Frauen und ist plötzlich wieder an Ruths Seite als wäre nichts geschehen.

Die Nachricht

Ruth ist viel in den Sozialen Medien unterwegs. Sie postet, teilt Teile ihres Lebens und hält Kontakt zu ihrem Freundeskreis. Eines Tages erhält sie unangenehme Nachrichten. Sie sind beleidigend, sexistisch und äußerst unangenehm. Doch Ruth bleibt nicht die einzige Empfängerin. Freunde, Familie und sogar Auftraggeber erhalten Nachrichten, in denen die schlechtesten Seiten von Ruth beschrieben werden, die derb sind und manchmal auch eklig. Nach und nach werden diese Mitteilungen immer persönlicher. Wer auch immer sie schreibt, muss aus Ruths Umfeld kommen, denn es sind nicht nur Allgemeinplätze, die viele zu lesen bekommen, sondern sehr detaillierte Beschreibungen von Menschen, Orten und Geschehnissen. Ruth beginnt zu suchen und zu recherchieren, wer hinter diesen Nachrichten stecken könnte, sie misstraut selbst ihren besten Freunden und wird allmählich für immer wunderlicher gehalten. Eine Frau, die mit ihrem Leben nicht klarkommt und sich möglicherweise selbst diese Nachrichten schickt, um Aufmerksamkeit zu erreichen.

Meine Meinung

Es ist ein ruhiges Buch, in dem Doris Knecht ihre Hauptfigur sehr genau beobachtet. Ruth steht eigentlich mitten im Leben und wird durch diese Nachrichten doch aus der Bahn geworfen. In kleinen Schritten erfahren wir mehr über sie, ihr Denken und ihre Geschichte. Warum wird sie beispielsweise nach dem Tod ihres Mannes von einem schlechten Gewissen geplagt, obwohl sie nichts damit zu tun hatte? Es sind kleine Entwicklungsschritte, die die Autorin beschreibt. Erst sind die Nachrichten eine Lappalie, dann werden sie lästig, schließlich drohen sie ein ganzes Leben zu ruinieren. Diese Feinheiten machen das Buch zu etwas besonderem, Doris Knecht hat ein feines Gespür für Nuancen.

Gleichzeitig haben wir es hier am Beispiel einer einzelnen Frau mit dem großen Komplex Fakenews zu tun und damit, was diese anrichten können. Zum Beispiel aus einem starken Menschen ein psychisches Wrack machen. Man hätte mehr mit der Hauptfigur leiden können, wenn sie von Grund auf sympathischer angelegt worden wäre. Da sie eine gewisse Kälte ausstrahlt, kommt man ihr nicht so nah, wie sie es vielleicht verdient hätte. Dennoch ein wichtiges Buch, das zeigt, was digitales Stalking anrichten kann.

In Kürze

Titel: Die Nachricht

Autorin: Doris Knecht

Verlag: dtv

Erschienen: 2023

Preis: 13 Euro

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