Es ist schon verrückt. Letzte Woche habe ich Euch Sorj Chalandon: Am Tag davor vorgestellt und war davon überzeugt, dass es eines der besten Bücher meines Lesejahres sein wird. Jetzt kommt der nächste Roman, von dem ich genau das gleiche sagen kann. Ein sprachlich großartiges Buch, rund um eine im Scheitern begriffene Beziehung.
Eine Beziehung im Wandel
Schon der Beginn dieses Buches ist ein Knaller. „Im Grunde ist es ganz einfach: ich verlasse dich. Drei Wörter, die jeder Mensch begreift. Es genügen drei Wörter und alles ist getan. Man muss sie nur aussprechen.“ Aber ganz so einfach ist es dann doch nicht. Denn bis man die drei Worte tatsächlich aussprechen kann und sich selbst das Scheitern einer Beziehung eingesteht, können Jahre oder sogar Jahrzehnte vergehen. Vor allem dann, wenn man die eigene Liebe für die größte des Jahrhunderts hält. Wenn man alles für den einen Mann aufgegeben hat, um den sich fortan alles dreht. Mit dem man 30 Jahre zusammen war und gemeinsame Kinder hat. Dann kommt der Moment, um Bilanz zu ziehen und um zu schauen, wie alles begann. Im Falle der namenlosen Erzählerin, ist es ein Vanilletee, mit dem der Typ, den sie schon länger anhimmelt, vor ihrer Tür steht. Damals studierten beide noch und irgendwie kommt es dazu, dass er bleibt. Eine Bilanz, die man auch in Zahlen messen kann: 42 Reisen, sechs Autos, 912 Partien Halma, fast 9000 Schulbrote.
Und im Laufe der Zeit kippt etwas. Die Eigenschaften, die man am anderen geliebt oder zumindest gemocht hat, werden nervig und schließlich unerträglich. Man fragt sich immer mehr, wie man es so lange ertragen konnte.
Julia Schoch gelingt es großartig, dieses Kippen heraus zu kitzeln. Sie nutzt ungewöhnliche Bilder und reiht Anekdoten und Erlebnisse in Monologform aneinander, die oft nicht länger als eine Seite sind. Daraus ergibt sich im Verlauf von weniger als 200 Seite eine komplexe Analyse einer Beziehung, die am Anfang ganz leicht und selbstverständlich ist und über die Jahre immer mehr Arbeit erfordert.
Zu viel Persönliches?
Ich habe in anderen Rezensionen die Kritik gelesen, dass man so viel Persönliches über eine Autorin gar nicht lesen will. Zumal wenn Sie, genau wie der Partner, über den sie schreibt, in der Öffentlichkeit steht. Ich bin ganz anders an dieses Buch herangegangen. Mir war nicht klar, dass Julia Schoch eine Meisterin des persönlichen Erzählens ist, denn ich kannte bisher noch nichts von ihr. Ich habe dieses Buch als fiktive Geschichte genommen, denn der Untertitel „Biographie einer Frau“ kann für mich für vieles stehen. Und als Fiktion ist dieser Text wirklich großartig. Ja, er geht ins Detail, aber das ist auch notwendig, um die Entwicklung von der großen Lieben hin zur Trennung nachvollziehen zu können.
Oft ist es ja so, dass sich alle Menschen im Freundes- und Bekanntenkreis darüber wundern, dass ein Paar immer noch zusammen ist, obwohl es offensichtlich ist, dass es überall knirscht und knackt in der Beziehung. Dieses Buch zeigt, was im Hintergrund passiert. Dass eben immer noch die Hoffnung da ist, es könnte wieder so werden, wie es einmal war und dass man viele Erinnerungen nicht aufgeben möchte und manchmal auch eine schlechte Beziehung für besser hält als gar keine mehr zu diesem einen Menschen zu haben. All das erzählt Julia Schoch mit viel Zärtlichkeit, Humor und auch Traurigkeit.
Für mich ein großartiges Buch mit vielen Facetten und absolut empfehlenswert für alle, die nicht mehr am Anfang ihres Liebeslebens stehen, sondern schon auf eine längere Strecke mit ein- und demselben Partner zurückschauen.
In Kürze
Titel: Das Liebespaar des Jahrhunderts
Autorin: Julia Schoch
Verlag: dtv
Erschienen: 2023
Preis: 22 Euro