Harald Jähner: Höhenrausch

In Kürze

Titel: Höhenrausch. Das kurze Leben zwischen den Kriegen

Autor: Harald Jähner

Verlag: Rowohlt Berlin

Erschienen: 2022

Preis: 28.80 Euro

Ein Ritt durch die Geschichte

Der Titel Höhenrausch passt perfekt. Dieses Buch liest sich tatsächlich wie im Rausch. Es ist schnell, überdreht, laut, überraschend – genau wie es die zwanziger Jahre waren. So macht Geschichte wirklich Spaß.

Ein unfassbar spannendes Jahrzehnt

Ab und zu taucht in Gesprächen die Fragen auf: Zu welcher Zeit hättest Du gerne gelebt? Seit vielen Jahren ist meine Antwort: Im Berlin der zwanziger Jahre mit seinen Nachtclubs und Literaturzirkeln. Ich wäre gerne ins Moka Efti gegangen und hätte mich in der Menge und der Musik verloren, hätte mir die Haare kurz geschnitten und Charleston getanzt, wäre rudern und wandern gegangen (und mir dabei unglaublich modern vorgekommen) und hätte mich mit Malerei und Theater beschäftigt, mit Schriftstellern diskutiert und wäre selbstverständlich im Umfeld von Autoren wie Kästner, Remarque, Fallada, Brecht und Tucholsky zuhause gewesen. Wie das bei Träumen üblich hätte ich mit natürlich nicht mit Armut, Kriegstraumata und Inflation auseinandersetzen müssen, sondern nur die guten Seiten kennengelernt.

Es verwundert also sicherlich niemanden, dass ich mich direkt auf dieses Sachbuch gestürzt habe, das genau MEINE Zeit beschreibt – und noch ein bisschen mehr. Die Jahre zwischen den Kriegen. Den 1. Weltkrieg verloren, die Reparationszahlungen aufgebürdet, Armut und Kriegsverletzungen, eine trübe Zeit. Dann die Entwicklung zu den goldenen Zwanzigern mit dem finanziellen Aufstieg für viele, mit deutlich mehr Rechten für Frauen mit Spaß und Freiheit bis zum Börsencrash, dem Zusammenbruch der Weimarer Republik und dem Aufstieg Hitlers. Deshalb muss ich mein „Ich hätte gerne in den zwanziger Jahren gelebt“ etwas korrigieren: „1924-1928“ wäre meine Zeit gewesen.

Geschichte zum Anfassen

Harald Jähner war Feuilletonchef der Berliner Zeitung und dass er Journalist und kein Historiker ist, kommt diesem Buch sehr zugute. Es liest sich eher wie ein Roman als ein historisches Sachbuch. Er greift einzelne Szenen heraus, die für eine ganze Nation und ein ganzes Jahrzehnt stehen und zeigt so das Große im Kleinen.  Politik, Kunst und das ganz alltägliche Leben sind dabei seine Themen. Die Bedeutung des Autos, der neue entstandene Körperkult, der Charleston als erster Tanz für den man keinen Partner benötigte – all das ordnet er ein und beschreibt es nachvollziehbar und treffend. Klar, von vielem hatte ich schon mal gehört, aber nie so tiefgehend und interessant. Anderes hat mich völlig überrascht. Dass wir heute glauben unfassbar modern und aufgeklärt zu sein, um dann festzustellen, dass die Welt vor 100 Jahren gedanklich deutlich weiter war als wir es heute sind.

Meine Meinung

Hundert Jahre scheinen sehr weit weg zu sein. Wer dieses Buch liest wird feststellen, dass sie uns näher sind als wir glauben. Ich kann nur jedem empfehlen, sich auf die Zeitreise einzulassen. Mich hat dieses Buch gefesselt und gut unterhalten. Auch die Bilder wurden mit viel Liebe zum Detail ausgewählt. Wirklich eine runde Sache und für mich uneingeschränkt empfehlenswert.

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